Barocke Orgeln in Thüringer Dorfkirchen
Sebastian Knebel spielt an den Orgeln der Kirchen von Untergneus, Wohlmuthausen, Friedelshausen und Gräfenhain
Werke von:
Johann Christoph Bach (1642–1703)
Johann Pachelbel (1653–1706)
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Johann Gottfried Walther (1684–1748)
Johann Bernhard Bach (1676–1749)
Nicolaus Vetter (1666–1734)
Johann Heinrich Buttstett (1666–1727)
Georg Böhm (1661–1731)
Sebastian Knebel zeigte früh Interesse für Orgelmusik und Orgelbau. Er absolvierte neben einer Lehre als Orgelbauer eine C-Kirchenmusikerausbildung: in dieser Zeit spielte er zahlreiche Orgelvertretungen an Berliner Kirchen (u. a. Dauervertretung am Französischen Dom). Er studierte in Dresden und Weimar Kirchenmusik und beschäftigte sich eingehend mit dem Spiel auf historischen Tasteninstrumenten. Darüber hinaus studierte er bei Ludger Rémy und belegte Kurse zur historischen Aufführungspraxis u. a. bei Harald Vogel und Ton Koopmann. Er engagierte sich für den Erhalt vom Verfall bedrohter historischer Orgeln, besonders in Thüringen. Von 1995 bis 2000 war er als Cembalist des Telemann Kammerorchesters tätig, seit 2001 ist er Cembalist des Telemannschen Collegium Michaelstein. Außerdem verfolgt er eine umfangreiche freiberufliche Konzerttätigkeit als Organist, Cembalist und Hammerflügelspieler. Er steht in ständiger Zusammenarbeit mit dem Körnerschen Singverein Dresden. Konzertreisen führen ihn u. a. nach Frankreich, Polen, Tschechien, England und die USA.
I. Untergneus (1737 Justinius Ehrenfried Gerhard)
1. Johann Christoph Bach (1642–1703) Praeludium in Es
2. Johann Christoph Bach Warum betrübst du dich, mein Herz
3. Johann Pachelbel (1653–1706) Fantasia in g
4. Johann Pachelbel Praeludium in d
5. Johann Sebastian Bach (1685–1750) In dulci jubilo (BWV 751)
Die Orgel in Untergneus in Ostthüringen wird 1737 durch den regional sehr bedeutenden Justinius Ehrenfried Gerhard als eines seiner frühesten Werke erbaut. Sie ist das älteste von ihm als selbständiger Orgelbauer geschaffene Instrument, das sich erhalten hat. Sein größtes Orgelwerk verbrennt noch im 18. Jahrhundert in der Stadtkirche zu Ilmenau. Um 1820 wird die Gneuser Orgel in eine neue Kirche umgesetzt. Neben den beiden obligatorischen, sehr charakteristischen Grundstimmen verfügt die Orgel durch extrem eng mensurierte Principale und raffinierte Mischungsmöglichkeiten bei einer scheinbar einfachen Disposition über ein Klangbild, das zwischen überkommener Tradition und neuen Einflüssen sowie der eigenen Experimentierfreude Gerhards steht. Der schöne klassizistische zweiemporige Raum mit Kanzelaltar trägt zu dem runden, strahlenden und doch transparenten, fast lieblichen Klang der Orgel bei. Das Orgelwerk hat einen großen Teil seiner originalen Prospektpfeifen behalten können und erfreut sich nach einer Restaurierung wieder seiner vermutlich originalen Disposition.
II. Wohlmuthausen (1765/66 Johann Caspar Rommel)
6. Johann Sebastian Bach O Lamm Gottes, unschuldig (BWV 656 a)
7. Johann Gottfried Walther (1684–1748) Toccata con Fuga in C
8. Johann Bernhard Bach (1676–1749) Du Friedefürst, Herr Jesu Christ
Das zweimanualige Instrument in der Kirche zu Wohlmuthausen in der Rhön steht ebenfalls hinter einem Mauerbogen. Der Orgelbauer, Johann Caspar Rommel aus Rossdorf, tritt dem dadurch etwas gedeckten Klangbild der Wohlmuthäuser Orgel mit kräftigen Mixturen entgegen und verzichtet dafür in diesem Fall auf ein 16”-Register im Hauptwerk. Darüberhinaus bereichert er das Instrument aber auch mit einigen Solostimmen. Die Eintragungen Rommels in der Orgel weisen die Entstehungsdaten 1765 (in der Oberwerkslade) und 1766 (im Kanal) auf. Zu DDR-Zeiten war die Kirche in Wohlmuthausen bereits einige Jahre aufgegeben, so daß auch die Orgel sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im Zuge der inzwischen erfolgten Restaurierung konnte glücklicherweise auch die Orgel restauriert werden.
III. Friedelshausen (1699 anonym)
9. Johann Sebastian Bach Erbarm dich mein, o Herre Gott (BWV 721)
10.–15. Nicolaus Vetter (1666–1734) Parthie ex B
16. Johann Pachelbel Ciacona in f
Geradliniger in der Ausrichtung ist das 1699 durch einen unbekannten Orgelbauer in der Kirche zu Friedelshausen in der Rhön erstellte Instrument. Der sehr direkte Klang des Orgelwerkes wurde vermutlich noch im 18. Jahrhundert durch die weiche Farbe einer Flöte 8” erweitert. Das wunderschöne Instrument steht – wie in der Rhön üblich – über dem Altar im Turmraum, der als ursprünglicher Altarplatz durch einen Spitzbogen mit der Emporenkirche verbunden ist.
IV. Gräfenhain (1728–1731 Johann Christoph Thielemann)
17. Johann Heinrich Buttstett (1666–1727) Fuga in e
18. Johann Heinrich Buttstett Vom Himmel hoch, da komm ich her
19. Johann Sebastian Bach Praeludium und Fuga in e (BWV 533)
20. Georg Böhm (1661–1731) Vater unser im Himmelreich
21. Johann Sebastian Bach Praeludium und Fuga in c (BWV 549)
In den lichten und weiten, reich dekorierten Innenraum der 1727–28 erbauten Dreifaltigkeitskirche zu Gräfenhain bei Gotha baut 1728–31 der bekannte Gothaische Hoforgelbauer Johann Christoph Thielemann ein zweimanualiges Instrument, dessen Gehäuse freistehend und schlank auf der Westempore angelegt wurde. Die sich auf diese Weise optisch und klanglich sehr schön entfaltende Orgel verfügt nur über je eine Metallpfeifenmensur für gedeckte und offene Pfeifen, aus der Thielemann die unterschiedlichen Klangfarben entwickelt. Diese sehr rationelle Herstellungsweise ist klanglich kaum spürbar. Um den großen Raum wirklich zu füllen, baut Thielemann neben der üblichen Posaune 16” im Pedal auch für das Manual eine Zungenstimme. Allerdings wurde diese Trombetta 8" später entfernt und mußte bei der Restaurierung rekonstruiert werden. Die Orgel zu Gräfenhain (unweit Georg Böhms Geburtsort) ist die einzige der vier Orgeln, deren originale Prospektpfeifen vollständig erhalten sind.