INSTRUMENTARIUM LIPSIENSE (II)
Frédéric Chopin (1810-1849)
Mazurken und Nocturnes
Zvi Meniker - auf einem Flügel des Leipziger Klavierbauers Johann Nepomuk Tröndlin von 1828/29
Klassik Heute (11/98): »Für Freunde des Historischen und Chopinianer ist diese CD beinahe ein Muß - unkonventionell, liebevoll verpackt und ansprechend bebildert.«
In der Reihe »Instrumentarium Lipsiense«, in der wertvolle historische Instrumente aus der berühmten Sammlung des Leipziger Musikinstrumenten-Museum zu hören sind, erschien die zweite Produktion »Frédéric Chopin - Mazurken und Nocturnes«. Zvi Meniker spielt an einem Hammerflügel von 1829 der Leipziger Firma Tröndlin.
Die meisten Pianisten und Musikliebhaber heutzutage wissen, daß die Klavierwerke klassischer Komponisten wie Mozart, Haydn, Beethoven und Schubert für Instrumente geschrieben sind, die sich vom modernen Konzertflügel stark unterscheiden. Es ist jedoch nicht sehr bekannt, daß auch die erste Generation romantischer Komponisten ihre Werke für ein Klavier geschrieben hat, welches - außer im Tonumfang - von einem modernen Flügel sehr weit entfernt war.
Am auffallendsten ist der klare, helle Ton der früheren Instrumente sowie ein Timbre, das sich durch den Tonumfang hinweg verändert: vom durchsichtigen, läutenden Diskant über einen runden und klaren Tenor zum volltönenden, aber zugleich noch klaren und nicht sehr schweren Baß. Das Ergebnis: Chopins wohlgeformte Begleitungenwerden belebt, ohne die Melodien zu überwältigen; der Gestaltung Chopins wird getreu gefolgt.
Wegen seiner Vielseitigkeit mehrmals gefeiert, verfügt Zvi Meniker auf seinen Instrumenten über ein Repertoire, das von den Werken des späten Mittelalters bis ins 20. Jahrhundert reicht. In Zeitungsberichten und Kritiken in den Hauptstädten Europas, der USA und Israels wurde seine virtuose, lebendige und leidenschaftliche Spielweise häufig gelobt und bei internationalen Wettbewerben mit Preisen ausgezeichnet. Derzeit ist er als künstlerischer Mitarbeiter an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« in Leipzig tätig. Seine Doktorarbeit, die er zur Zeit für die Universität »Cornell« schreibt, hat die Aufführungspraxis der Klavierwerke Frédéric Chopins als Thema.
Zvi Meniker
Der Cembalist, Organist und Hammerflügelspieler Zvi Meniker ist in Moskau geboren und in Israel aufgewachsen. Schon mit 15 Jahren hat er sein Hochschulstudium in der Musik angefangen. Vom Salzburger »Mozarteum« und der Musikakademie Zürich, wo er unter Nicolaus Harnoncourt und Johann Sonnleitner studierte, erhielt er Diplome mit Auszeichnung. Es folgte ein Studium unter Malcolm Bilson an der Universität »Cornell« in den USA.
Wegen seiner Vielseitigkeit mehrmals gefeiert, verfügt Zvi Meniker auf seinen drei Instrumenten über ein Repertoire, das von den Werken des späten Mittelalters bis ins 20. Jahrhundert reicht. In Zeitungsberichten und Kritiken in den Hauptstädten Europas, der USA und Israels wurde seine virtuose, lebendige und leidenschaftliche Spielweise häufig gelobt und bei internationalen Wettbewerben mit Preisen ausgezeichnet. Zvi Meniker hat Cembalo und Aufführungspraxis an der Universität »Duke« in den USA unterrichtet und ist langjähriger Dozent an der Akademie für Alte Musik in Jerusalem. Seit Oktober 1995 ist er als künstlerischer Mitarbeiter an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« in Leipzig tätig. Seine Doktorarbeit, die er zur Zeit für die Universität »Cornell« schreibt, hat die Aufführungspraxis der Klavierwerke Frédéric Chopins als Thema.
Der Leipziger Klavierbauer Johann Nepomuk Tröndlin
Die Werke Chopins erklingen auf einem Flügel des Leipziger Klavierbauers Johann Nepomuk Tröndlin. Geboren 1790 in Freiburg/Breisgau, begann er eine Lehre in Süddeutschland. Er flüchtete vor dem Militärdienst nach Wien, wo er bei verschiedenen Meistern als Tischler und Klavierbaugeselle arbeitete, wohl auch bei Matthäus Andreas Stein. Im Jahre1821 wurde er in Leipzig Leiter der Instrumentenbauabteilung des Verlages und der Klavierbauerfirma Breitkopf & Härtel. Drei Jahre später machte er sich selbständig.
Tröndlin besaß eine mittelgroße Werkstatt, beschäftigte mehrere Gesellen und stellte monatlich zwei Instrumente her. Seine noch erhaltenen Hammerflügel deuten auf einen sehr anspruchsvollen Meister hin, der ein Modell, das sich bewährt hatte, nicht so schnell wechselte. Seine Instrumente wurden von Felix Mendelssohn Bartholdy ebenso geschätzt wie von Robert und Clara Schumann, die zu den häufigen Besuchern des Meisters gehörten.
Form und Bauweise des auf der CD erklingenden Tröndlin Flügels erinnern an die von Matthäus Andreas Stein gebauten Instrumente. Er trägt die Fabrikationsnummer 284. Demnach ist die Entstehungszeit um 1828-1829 anzusetzen, allerdings in etwas ‘altmodischem’ Stil. Das Instrument war einst im Besitz von Dr. Johann Pauls von Falkenstein,1834 bis 1845 Kreisdirektor und Regierungsbevollmächtigter in Leipzig, in dessen Haus Mendelssohn öfters spielte.(Falkenstein oder Falkeinstein????)
Obwohl in Leipzig gebaut, entspricht der Flügel dem Wiener Ideal, einem Modell, welches zu dieser Zeit in den meisten Ländern Europas, vor allem aber in den damaligen Erbländern des Habsburg-Imperiums, in Böhmen, Polen, Rußland und auch in der Türkei hoch geschätzt war und vielen Klavierbauern als Vorbild diente. Eine Eigentümlichkeit der im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts gebauten Wiener Instrumente ist auch hier zu finden: ein Klangmodifikator, auch Schalldeckel genannt, ein über den Saiten gelegener Resonanzboden. Diese Erfindung wirkte wie eine Art Obertonfilter und rundete die bis dahin als ‘typisch wienerisch’ bezeichnete, von vielen Musikern hochgepriesene helle Klangfarbe ab. Die stärkere, im Diskant dreifache Besaitung bewirkte ebenfalls, „daß die Töne nicht so grell auf das Ohr wirken“, wie Stephan von Keeß beschreibt.
Dieses Instrument hat blanke Saiten aus Messing im Baß und aus Eisen im Diskant. Die Saiten werden mit mehrfach belederten Hämmern, der ‘Wiener Mechanik’, angeschlagen. Die sogenannte Kastendämpfung unterscheidet sich maßgeblich von der heute üblichen Dämpfung, sowohl in ihrer Bauart als auch dadurch, wie die einzelnen Töne geformt bzw. abgerundet werden. Der Flügel hat drei Pedale: ‘forte’ (die Dämpfung wird angehoben), ‘piano’ (ein Lederstreifen wird zwischen Hammer und Saite geschoben) und ‘una corda’ (die Klaviatur wird verschoben). Der Saitenzug wird im Wesentlichen von einem hölzernen Rast getragen. Die abgerundeten Formen in Stoßwand und Stimmstockbereich sowie die geschwungenen Beine sind ein deutliches Stilmerkmal der Biedermeierzeit.
Tröndlins Instrumente standen bis 1860 auch im Leipziger Gewandhaus und waren wegen ihres fein abgestimmten, weichen Tones sehr beliebt.
E. Fontana